Festive 500 – InOneGo 2020: Corona-Edition

Die Vorzeichen standen in diesem Jahr denkbar schlecht. Pläne für Ländergrenzen-überschreitende Fahrten (z.B. nach Kopenhagen) wurden schnell auf Eis gelegt. Auch die geplante innerdeutsche Route von Chemnitz über Dresden nach Berlin konnte nicht realisiert werden – schon gar nicht als Gruppenfahrt.

Die Aussicht sich nirgends aufwärmen zu können, bei keinem Bäcker, bei keinem Restaurant und nicht einmal bei Mac D. pausieren zu können um etwas Wärme zu tanken lies die Idee für einen ziemlich bescheuerte Plan aufkeimen: Wir bleiben nahe unserer Stadt und fahren in Kleinstgruppen sechs Deich-Loops á 83,5 km (= 501 km). Dies hat immerhin den Vorteil, dass man im Zweifel easy abbrechen kann, dass man sich ein Versorgungsfahrzeug mit Wechselklamotten und Equipment an die Strecke stellen kann und dass der Kurs unendlich flach ist (s.u., ~250 hm auf 500 km!). Der Nachteil: Es ist eine mentaler Upfuck immer wieder die gleiche, auf Dauer durchaus öde Strecke zu fahren. Sechs mal. Verflucht.

Ursprünglich geplant war der Start wie immer für den „Dritten“ Weihnachtstag, also den 27.12. Die Wetteraussichten waren jedoch so feucht-trist, dass wir unser Vorhaben um einen Tag auf Montag früh um 05:00 Uhr morgens verschoben haben. Am Treffpunkt, der Aral Tankstelle Peutestraße 2 die zugleich unser Mission-Base war, fanden sich immerhin acht Frühaufsteher ein! Die Hälfte der Starter hatte aber keine Ambitionen sechs Runden zu fahren. Vielen Dank auf jeden Fall für den Support!

Start an der Aral-Tankstelle, Peutestraße 2 um 05:30

Runde 1

Mit 30 Minuten Verspätung geht es gegen 05:30 los (Hey, Michael!)… Die Straßen sind feucht, aber von oben bleibt es trocken. Die Bedingungen sind vollkommen okay. Kein Regen, kein Verkehr, kein Stress. Unsere Frontscheinwerfer leuchten die leere Straße aus, die Ketten surren durch die Nacht. Noch bevor wir den Deich erreichen zieht Olaf in seinem Velomobil an uns vorbei – wir sind zu langsam. Seine beiden Rücklichter verschwinden zügig in der Ferne und ich fragte mich, wann wir wohl das erste Mal überrundet werden würden.

Runde 1

Runde 2, 3, 4

Pause an der Aral. Tee, Kakao, Brötchen. Tankstellen Romantik. Die Sonne geht auf und viel zu schnell wieder unter. Wieder los. Gleise auf der Peutestraße queren, weiter zur Bunthäuser Spitze gegen den Wind. Parallel zur A1 über die Süderelbe. Ab jetzt 15 km immer geradeaus gegen den Wind bis Hoopte. Natural Brake nach der Baustelle. Noch mehr Gegenwind. 5 Kilometer bis Laßrönne. Schon wieder abbiegen, wieder nach Links. Frei! Weiter geht’s 10 Kilometer bis zum Sperrwerk bei Geesthacht. Über die B404 geht’s auf die andere Elbseite. Etwas stressig mit dem Verkehr aber besser als über den engen Fußweg (!) auf der Ostseite der Anlage. Von jetzt über 30 Kilometer immer entlang des Deichs. Deich. Deich. Deich. Nach ca. 10 Kilometern Zollenspieker. Noch mehr Deich. Deich und Deich. An der Tatenberger Schleuse dann wieder eine Herausforderung: Abbiegen; und zwar gleich zwei Mal. Am Moorfleeter Hauptdeich bis zum Sperrwerk Rothenburgsort. Segment: Schranke-Schranke. Gedanken kreisen..

Um hier den KOM zu bekommen, müssten wir unsere Geschwindigkeit lediglich verdoppeln.. ach, nächste Runde vielleicht.

.. Wer ist eigentlich auf die bescheuerte Idee gekommen hier Betonpflastersteine und Asphalt im regelmäßigen Wechsel einzusetzen? Ich hasse diesen Abschnitt. Naja, die Runde ist gleich vorbei.. die Aral ist schon in Sichtweite.

Aral Peutstraße 2. Unser Base-Camp.

Runde 5

Das Feld dünnt sich aus. Unterwegs haben wir immer wieder Unterstützung von Freunden bekommen die von unserem Blödsinn im Vorfeld Kenntnis bekommen haben. Aber irgendwie droppen mehr Leute, als dass Leute dazu kommen.. komisch. Inzwischen sind wir zu dritt in einer Gruppe unterwegs: Michael, Patrick und ich. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit nimmt auch kontinuierlich ab. Auch komisch. Wie immer sind wir am Anfang viel zu schnell gefahren. Fast einen 30er-Schnitt haben wir auf die ersten 83 Kilometer hingelegt. Schön dumm bei 500 Kilometern Gesamtstrecke mit 50% deutlichem Gegenwind. Von hinten rauscht etwas heran: Olaf überrundet uns endlich in seinem Velomobil und die beiden Rücklichter verschwinden erneut vor uns in der Ferne. Michael gibt nahezu dauerhaft Windschatten. Langsam realisiere ich: Ich werde das wieder packen. Ich bin tatsächlich ein bisschen stolz auf uns. Leider wird das Wetter nicht besser. Es fällt leichter Niederschlag in Form von feinem Schnee-Hagel-Irgendwas-Zeug. Ungemütlich. Bei Kilometer 400 mache ich einen Stopp um #100gehenImmer festzuhalten:

#100gehenImmer

Dummerweise nutzen Michael und Patrick die Gelegenheit um einen Blick auf das Wetterradar zu werfen: Da kommt etwas Blaues auf uns zu. Die Moral hebt das nicht. An der Aral-Tankstelle angekommen verkriechen wir uns zum Aufwärmen ins geparkte Mietfahrzeug. An der Tankstelle ist inzwischen nur noch der Nachtschalter offen. Sitzheizungen sind ja so geil! Einerseits. Andererseits denkt Patrick sich wohl: Ich könnte auch im Warmen sitzen statt nochmal 83 km bei Suboptimalen Bedingungen durch Schneeregen zu fahren…

Runde 6

Und da waren es noch zwei (plus Olaf der vermutlich schon fertig ist). Weiter geht’s um 23:50 nach fast 50 Minuten Pause im Auto. Michael scheint es eilig zu habe. Er faselt etwas von „600 Kilometer voll machen“ – ganz nach dem Motto: „100 gehen immer“. Ich finde, dass das für ihn eine ganz fantastische Idee ist, zumal Michael sonst ab Geesthacht nach Glinde abbiegen würde und ich die letzten 40 Kilometer alleine fahren müsste.

Irgendwo vor Hoopte, ca. bei Rundenkilometer 30, kommt dann das Blaue: Schneeregen. Erst wenig, dann mehr. Alles wird nass. Immer nasser und noch nasserer – am nasserrastestestesten. Die Entscheidung eine Regenjacke anzuziehen fällen wir beide zu spät. Wir halten in Drage bei einer Bushaltestelle und versuchen zu retten was zu retten ist. Trocken werden wir nicht mehr. Regenjacke über die Softshell und neue, trockene Handschuhe ziehe ich mir an. Ich zittere schon wieder wie Espenlaub. Als wir losrollen, sehe ich auf der rechten Seite eine Bankfiliale mit Vorraum! Die Möglichkeit sich aufzuwärmen und etwas von dem Schneeregen auszusitzen. Michael hat erstaunlicherweise keine Einwände. Ca. 30 Minuten verharren wir dort. Ich zittere davon mindestens die ersten 25 Minuten. Draußen zieht ein blinkendes Streufahrzeug vorbei. Natoll. Glatteis fehlt jetzt noch. Michael findet die Situation mit dem Niederschlag gar nicht gut. Ich hingegen bin natürlich total begeistert. Es ist 02:10 als wir wieder aufbrechen. Die Straßen sind zum Glück nicht glatt. Auch nicht auf dem Sperrwerk. Von 600 Kilometer voll machen ist inzwischen bei Michael keine Rede mehr und so biegt er kurz hinter Geesthacht nach Glinde ab. Die letzten 42 Kilometer sind wirklich zäh. Ich halte noch einmal und versuche meine verbleibenden Riegel zu essen. Mit den inzwischen durchweichten Lobster-Handschuhen ist das aber gar nicht so einfach. Und ich fürchte in die Handschuhe nicht wieder rein zu kommen, wenn ich sie ausziehe.

Um 04:12 schließe ich Runde 6 an der Aral Peutestraße ab und ziehe mich in das Auto zurück. Ich wechsle meine Klamotten und wärme mich eine dreiviertel Stunde im Auto auf bevor ich nach Hause fahren kann.

Wie war’s? Richtig gut. Mit Unterstützung in kleiner Gruppe erneut geschafft. Auf 2021! Dann hoffentlich wieder in größerer und bekannter Besetzung mit „Team Berlin“. Die Pläne liegen in der Schublade.

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