#OutsideIsFree, Cold, Wet & Expensive

Was zieht man auf dem Rennrad an wenn das Wetter scheiße ist?

Die Saison endet am 31. Dezember. Die neue Saison beginnt am 1. Januar. Zwangsläufig wird man damit Bedingungen ausgesetzt die unfreiwillig auch unter dem Hashtag #epic eingeordnet werden könnten. Am vergangenen Freitag bin ich so eine Tour gefahren; unendlich langsam dafür aber auch nicht sehr weit (siehe Strava). Schön kalt, schön nass und schön war’s. Anschließend erreichten mich Fragen was ich an Equipment für diese Bedingungen empfehlen könne. Daher hier nun ein Kopf-bis-Fuß-Guide was sich für mich bewährt hat – und was nicht.

Auf dem Rennrad durch’s Weserbergland im Winter

Zur Einordnung meiner Empfehlungen ist es sinnvoll zu wissen, dass ich es persönlich grundsätzlich hasse zu überhitzen. Ich friere lieber ein wenig, als dass ich ein ganz klein bisschen schwitze. Denn wenn Klamotten erstmal angeschwitzt sind und sie dadurch die Isolierung verlieren, dann gefällt mir das gar nicht. Ist man womöglich noch gezwungen eine Pause einzulegen, dann wird es wirklich schlimm. Danach wieder warm zu werden ist für mich fast unmöglich.

Kopf

Gerne wird behauptet, dass die meiste Körperwärme über den Kopf verloren ginge. Teilweise ist von 45% die Rede. Das stimmt einfach nicht. Dennoch ist es sicherlich kein Fehler den Kopf warm zu halten. Bei Temperaturen um 0°C reicht mir eine Cycling Cap, ein Buff und mein Helm. Der Buff hält die Nackenpartie und den Hinterkopf warm, Cap und Helm schützen die Stirn vor Windzug und Nässe. Bei meinem Helm, einem Kask Infinity, lässt sich der Belüftungsgrad über ein Schiebeelement steuern; auch bei Regen mache ich den „Deckel“ einfach zu. Sehr praktisch.

Sollten die Temperaturen unterhalb von 0°C liegen, greife ich zum Rapha Deep Winter Baselayer mit Kopfteil aus Merinowolle. Das Kopfteil ersetzt den Buff und lässt sich auch über Mund- und Nasenpartie ziehen. Das Ding ist einfach super (s.u.).

Ich fahre das ganze Jahr über eine Rennradbrille mit selbsttönenden Gläsern. Das hat sich speziell für lange Touren als sehr nützlich erwiesen. Ursprünglich war ich mit einer Uvex Sportstyle 803 V (ca. 100 Euro) unterwegs. Da ich mit dieser wenig pfleglich umgegangen bin waren die Gläser nach drei Jahren ordentlich zerkratzt. Aus optischen Gründen bin ich auf eine Oakley EVZero Path (130 Euro) gewechselt. Die Oakley beschlägt jedoch unglaublich schnell, sodass ich in Zukunft wieder zur günstigeren Uvex greifen werde.

Tl; dr

  • Helm: Kask Infinity (ca. 200 Euro)
  • Cyclingcap: eine die gerade gut passt
  • Buff: Noname oder Rapha Baselayer mit Kopfteil (s.u.)
  • Rennradbrille: Selbsttönend – eher Uvex als Oakley (ca. 100 bis 130 Euro)

Oberkörper und Arme

In der Theorie soll das sog. Zwiebelprinzip die Basis der Verpackung sein. In der Praxis stellt sich das als weniger praktikabel heraus, da man eben nicht einfach die Schichten von Außen nach Innen ablegen kann. Wenn ich meinen warmen Rapha Deep Winter Baselayer und eine Softshell bei Temperaturen über 1 bis 2°C anziehe, dann kann das zu warm werden. Ich kann aber weder Baselayer noch Softshell ausziehen – das wäre wiederum zu kalt. Die Schichten wollen also weise gewählt sein.

Bei Temperaturen von über 2°C greife ich daher lieber zu einem Rapha Merino Mash Baselayer (kurzarm) und kombiniere mit Rapha Merino Armlingen und einem normalen Kurzarm-Sommertrikot. Alternativ, wenn’s etwas kühler ist, kommt The Trick von X-Bionic zum Einsatz. In Werbetexten wird einem zwar versucht weiszumachen, dass dieses „Trick-Trikot“ kühlt, es hat sich für mich jedoch als sehr gute und warme Isolationsschicht bewährt – und eben nicht als Kühlaggregat im Sommer ¯\_(ツ)_/¯.

Wenn’s knackig kühl wird, dann ist der bereits mehrfach erwähnte Rapha Deep Winter Baselayer mit Kopfteil aus Merinowolle das Herzstück meiner Verpackung. Das Ding ist goldwert.

180 Euro für ein Unterhemd sind aber auch kein Pappenstiel.

Als Zwischenlayer lässt sich hier natürlich ggf. ebenfalls ein Trikot drüber ziehen.

Die äußere Schale bildet meine Rapha Pro Team Softshell Jacke (ca. 250 Euro). Das Ding wärmt und hält – frisch imprägniert – auch leichte Feuchtigkeit gut ab. Auf der Rückseite ist der von Spitzwasser typischerweise stark beanspruchte, mittlere Bereich der Jacke wasserdicht gearbeitet. Super Sache. Auch das Teil gibt’s so leider nicht mehr.

Für den Fall, dass der Wind stark bläst oder ganz feiner Niederschlag fällt, habe ich eine hauchdünne Windjacke von Rapha namens Pack Jacket dabei. Es handelt sich hier um nicht viel mehr als einen 80 Euro teuren, dafür sehr gut geschnittenen „Müllbeutel“. Die Funktion ist super.

Wenn der Niederschlag zunimmt, dann ist es die Herausforderung die nächste Eskalationsstufe im richtigen Moment zu aktivieren. Bei dauerhaftem Niederschlag schwenke ich auf eine klassische Rennradregenjacke von Gore – Modell unbekannt, Kostenpunkt 230 Euro (erworben 2012).

Sowohl mit der Windjacke als auch mit der Regenjacke ist das Problem, dass ich so wasserdicht eingepackt schnell überhitze. Die Balance zwischen genug Energie umsetzen (um warm zu bleiben) und nicht zu viel Energie freizusetzen (und somit zu überhitzen, zu verschwitzen und am Ende zu frieren) ist leider extrem schwer zu halten.

Rapha Deep Winter Baselayer mit Kopfteil – leider so nicht mehr erhältlich.

Tl; dr

  • Baselayer: Rapha-Deep-Winter-Baselayer (180 Euro)
    oder Kurzarm-Merino-Mash-Baselayer (60 Euro) mit Rapha Merino-Armlingen (50 Euro)
  • ggf. einfaches Sommertrikot oder „The Trick“ von X-Bionic (ca. 100 Euro)
  • Softshell: Rapha Pro Team Softshell Jacke (ca. 250 Euro)
  • Windstopper: Rapha Pack Jacket (80 Euro)
  • Regenjacke: Gore-Rennradjacke (230 Euro)

Hände

Die Hände warm und trocken zu halten ist für mich noch immer das größte Problem. Bis heute habe ich kein hundertprozentig zufriedenstellendes Produkt gefunden.

Bis knapp über 0°C und Strecken bis 200 km reichen die sehr guten Rapha Winter Gloves (nicht Deep Winter) für ca. 100 Euro aus. Sie sind stabil und trotzdem flexibel gearbeitet. Vor allem kann man mit ihnen gut schalten und bremsen. Auch bei leichtem Niederschlag halten sie ’ne ganze Weile trocken. Ich nutze diesen Handschuh seit 2016 – also schon seit gut fünf Jahren – sie sehen entsprechend ramponiert aus, halten aber noch immer gut warm und (zeitlich begrenzt) trocken. Aktuell denke ich daher darüber nach mir das Nachfolgermodell gleich in zweifacher Ausführung zuzulegen.

Die nächste Eskalationsstufe sind „Lobster“- Handschuhe von Sealskinz. Hier bleiben die Finger durch die paarweise Verpackung auch bei deutlichen Minusgraden lange warm und es lässt sich dennoch akzeptabel gut schalten und bremsen. Leider halten die Handschuhe – anders als beworben – nur ca. 30-45 Minuten lang trocken. Das ist Mist.

Gerade in der windexponierten Haltung am Lenker ist es dramatisch, wenn die Isolation durch Feuchtigkeit weg ist. Es wird sehr schnell sehr unangenehm, man verliert viel Temperatur und irgendwann auch das Gefühl in den Fingerchen, sodass eine Weiterfahrt im schlimmsten Fall nicht mehr möglich ist. Für lange, nasse Winterfahrten hilft daher aus meiner Sicht leider nur eins: mehrere (also viele) Paar Handschuhe. Ich habe eine ganze Reihe von Handschuhen ausprobiert. Darunter Modelle von Marmot, 66°North, Gripgrab und Ziener. Einige davon sind postwendend nach der ersten Ausfahrt an den Verkäufer zurück gesendet worden, andere laufen als Reservehandschuhe mit und werden eingesetzt wenn die o.g. Modelle von Rapha und Sealskinz durchnässt sind.

Tl; dr

  • Handschuh 1: Rapha Winter Glove (100 Euro) – gut bis 0°C
  • Handschuh 2: Sealskinz Lobster (60 Euro) – hält auch unter 0°C warm, aber unzureichend wasserdicht.

Guns

Es gilt die Beine warm zu halten und zu kühlen. Keine ganz einfache Aufgabe. Mit den Nanoflex-Bibshorts von Castelli bin ich aber immer – im wahrsten Sinne des Wortes – sehr gut gefahren. Und das zu einem fairen Preis von ca. 100 Euro. Da tut es auch nicht so weh, wenn die Bib nach zwei Jahren reif für die Tonne ist. Die wasserabweisende Wirkung ist nach ein paar Mal waschen bereits perdu, lässt sich jedoch durch leichtes aufbügeln (oder mit entsprechendem Spray) wieder herstellen.

Ebenfalls aus der Nanoflex-Reihe hatte ich früher die Beinlinge von Castelli. Diese waren mir jedoch am Knie zu eng und haben mir arge Probleme gemacht. Kürzlich bin ich daher auf die Gore C3 Windstopper-Beinlinge umgestiegen zu denen ich bislang nichts Schlechtes sagen kann.

Wenn’s richtig arg schüttet und kalt ist, dann greife ich zur Not noch zu einer einfachen Radregenhose. Aero und Rennradstyle sind dann zwar für’n Arsch, aber was soll’s?! Die zusätzliche Luftschicht zwischen Regenhose und Bibshort bringt einiges an Isolation – selbst wenn alles durchnässt ist.

Tl; dr

  • Bibshort: Kurze Castelli Tutto Nanoflex (ca. 100 Euro)
  • Beinlinge: Gore Wear C3 Windstopper Beinwärmer (ca. 60 Euro)
  • Ggf. lose Regenhose drüber

Füße

Die Füße warm zu halten, stellt für viele Rennradfahrer ein großes Problem dar. Mit einer Investition von gerade einmal 170 Euro kann man dieses Problem aber nachhaltig lösen. Die Mavic Ksyrium Pro Thermos halten meine Füße inzwischen in der fünften Wintersaison gut warm. Die Größe sollte gut eine Nummer über der normalen Rennradschuhgröße gewählt werden um auch für dicke Wintersocken und etwas Luft als Isolationsschicht Raum zu lassen. Empfehlenswerte Socken sind z.B. die Merino Winter Fahrradsocken von GribGrap (ca. 15 Euro).

Enttäuschend war jedoch, dass die Winterschuhe ihre Wasserdichtigkeit nach einem Jahr verloren haben – das ist ein Phänomen das sich bei allem einstellt, was von sich behauptet wasserdicht zu sein und nicht einer LKW-Plane gleicht.

Sofern klar ist, dass eine Ausfahrt nass werden könnte, ziehe ich daher nochmal Schuhkondome von Velotoze drüber. Leider sind diese fragil und halten max. 2-3 Ausfahrten. Sie sind somit ein Wegwerfprodukt was weder für die Umwelt noch für’s Portemonnaie gut ist.

Mavic Ksyrium Pro Thermo Winterschuh
Mavic Ksyrium Pro Thermo Winterschuh – hält zuverlässig warm. Leider nicht dauerhaft trocken.

Tl; dr

  • Mavic Ksyrium Pro Thermo Winterschuh (ca. 170 Euro)
  • Merino Wintersocken von GribGrap (ca. 15 Euro)
  • Velotoze-Überschuhe (ca. 15-20 Euro)

Fazit

Die Drei Top-Produkte die ich sofort wieder kaufen würde sind

  1. Merino Deep Winter Baselayer mit Kopfteil von Rapha
  2. Ksyrium Thermo Pro Rennradschuhe von Mavic
  3. Rapha Pro Team Softshell Jacke

Klar wird auch, dass der Spaß eine mittlere Investition darstellt. Bei den hier aufgeführten Klamotten komme ich überschlägig auf gut 1500-2000 Euro. Das muss man sich auch leisten können. Worauf ich immer versuche zu achten ist, dass die Sachen sinnvoll miteinander kombinierbar sind. Ich habe daher z.B. kein Langarmtrikot im Schrank – Kurzarm plus Armlinge bringen viel mehr Flexibilität.

Festzuhalten bleibt auf jeden Fall: Wenn man will, dann kann man ganz hervorragend im Winter Rennrad fahren. Und das kann richtig großartig sein. Ruhige Straßen, weiße Landschaft und außergewöhnlich schöne Stimmungen. Zumindest solang es von oben trocken bleibt. Etwas kniffelig wird es leider sobald es kalt und nass ist. Vor allem, wenn man sich nicht mit einer kleinen 100 km-Runde abgeben möchte.


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