Fuck Garmin [sic!]

Als erstes möchte ich mich für meine Wortwahl entschuldigen. Als zweites muss ich mich wiederholen: Fuck Garmin.

Als nächstes möchte ich ein Geständnis ablegen: Mein letztes Garmin war ein Edge 1000 und meine Erfahrungen liegen etwas zurück. Zuletzt habe ich im Jahr 2017 auf meiner Radreise durch Taiwan mein Garmin Edge 1000 genutzt und das Gerät hat mich – wie es der Name eigentlich nahelegt – mindestens 1000 Mal an den Rand der Verzweiflung getrieben. Mit umso größerem Erstaunen habe ich festgestellt, dass Garmin sich offensichtlich auch heute, im Jahr 2021, nicht zu schade ist die schon vor knapp einem halben Jahrzehnt veraltete Technik noch ahnungslosen Kunden unterzujubeln; und das zum läppischen Preis von 549,00 Euro. WTF.

Inhalt

Post-Polemik – ein wenig substanzielle Kritik

Ich habe sage und schreibe drei Mal mein Glück mit Garmin versucht. Man kann mir daher kaum vorwerfen, ich habe denen keine Chance gegeben. Mit den im Folgenden aufgeführten Geräten habe ich meine überwiegend leidlichen Erfahrungen gesammelt. Unterwegs war ich mit den Geräten auf Radreisen, auf Touren in und um Hamburg, sowie auf Rennradausfahrten.

Edge 705Edge 800Edge 1000
Abmessungen5.1 × 10.9 cm²5,1 × 9,3 cm²5,8 × 11,2 cm²
Auflösung176 × 220 px²160 × 240 px²240 × 400 px²
Akkulaufzeit lt. Garmin15 Stunden16 Stunden15 Stunden
Akkulaufzeitca. 4-6 Stundenca. 6 Stunden6-8 Stunden
Markteinfürhung200820112014
UVP499,00 Euro469,00 Euro549,00 Euro

Garmin Edge 705

Mein erstes Garmin war ein Edge 705. Im Vergleich zu den anderen Geräten die Garmin im Angebot hatte ein schlankes und windschnittiges Gerät das explizit auf’s (Renn-)Radfahren ausgerichtet sein sollte. Mit 499,00 Euro aber auch kein Schnapper.

Das Display ist mit 35 × 44 mm² eher klein und nimmt weniger als 50% der Oberseite des Geräts ein. Die Navigation durch die friemeligen Menüs im Stil von Windows 3.1 erfolgt mit einem Zwei-Achsen-Penöpel. Geht so. Die Eingabe eines Zielortes wie z.B. Schmedeswurtherwesterdeich (gibt es wirklich) dürfte somit den Nutzer in den Wahnsinn treiben.

Nun gut, kommen wir zur Hardware. In den Spezifikationen wird damit geworben, dass das Edge 705 über eine „hochempfindliche SiRFstar III Antenne“ verfüge. Angeblich befindet sich diese in der Wulst am oberen Rand des Geräts. Im Alltagstest kam es trotzdem zu oft vor, dass schon bei dicht bedecktem Himmel kein Signal empfangen wurde und die Position nicht mehr bestimmt werden konnte – vermutlich lag’s an den Satelliten.

Die Befestigung des Edge 705 erfolgt auf einer zweispurigen Plastikhalterung die wiederum mit Kabelbindern am Lenker montiert wird. Die Fixierung des Geräts auf derselben geschieht mit einem kleinen Schnapper der das Gerät auf Position halten soll. Tut er auch. Bis er abbricht. Das Schöne ist, dass man die Halterung nachkaufen kann – für wenige Euros. Vermutlich hat Garmin mit dem Verkauf der Halterungen mehr Geld gemacht als mit dem Gerät selbst.

Halterung für Garmin Edge 705

Neben dem Anschaffungspreis für das Gerät sowie den Ausgaben für einen Satz Ersatzhalterungen schlagen zusätzlich noch die Karten zu Buche. Man ist nämlich quasi genötigt gewesen sich zu der Hardware auch eine digitale Landkarte zu kaufen. Von Haus aus kommt das Gerät mit einer vorinstallieren Karte daher die im wesentlichen Bundesstraßen und Autobahnen umfasst – Straßen die ich mit dem Rad möglichst meide. Für die Karte CityNavigatorNT kommen so nochmal 89,00 Euro obendrauf. $$$ Ka-Tsching!

Die für teures Geld erworbenen Karten lassen sich über die mäßig intuitive (dies ist ein Euphemismus) Software „Mapsource“ auf das Gerät übertragen. Eine Zumutung. Wer in Nostalgie schwelgen möchte dem sei dieses YouTube-Tutorial nahegelegt.

Alternativ zu Kauf-Karten von Garmin kann man sich durch das Internet wühlen und hoffen, dass jemand bereits ein individuelles Map-Image für die gesuchte Region erstellt hat – und dass man dieses Image findet. Die Darstellung fremder Karten ist leider oft überladen und nimmt den Prozessor stark in Anspruch. Dies wiederum wirkt sich entsprechend auf die Laufzeit aus. Die Betriebszeit des GPS-Geräts gibt Garmin mit stattlichen 15 Stunden an – allerdings ist diese Zahl völlig aus der Luft gegriffen. Realistisch sind 4 bis maximal 6 Stunden.

Zum Glück habe ich an meinem Hardo Wagner-Reiserad einen SON-Nabendynamo mit ausreichend Power und entsprechendem Pufferakku. Ich kann das Garmin somit während der Fahrt laden – theoretisch. In der Praxis kann das Gerät nämlich immer nur eins: laden oder navigieren. Beides zeitgleich ist nicht vorgesehen. WTF!

Das Gerät hat mich wirklich enttäuscht. Bereits 2007 fühlte sich die Benutzerführung eher an wie von 1999. Nicht cool, Garmin. Schon gar nicht bei dem Preis.

Garmin Edge 800

Spätestens seit der Markteinführung des ersten Iphones sind Touchscreens der heiße Scheiß und Garmin folgt diesem Trend. Das halte ich für eine gute Idee und es ist für mich ein wesentliches Argument nochmal Geld in die Hand zu nehmen. Anders als bei Smartphones ist hier ein resistiver, d.h. drucksensitiver, Touchscreen verbaut. Das fühlt sich ungewohnt-komisch an; die Idee ist wohl, dass man das Gerät auch bei Regen und mit Handschuhen nutzen können soll. Gute Idee. Die Bedienung bei nassem Display funktioniert leideer dennoch nur semi-gut (dies ist ein Euphemismus).

Wofür ich dankbar bin, ist dass die Windows 3.1-Optik überwunden wurde. Von Ausnahmen abgesehen sind die Menüs logisch aufgebaut – jedoch tief verschachtelt. Einstellungen zu finden ist oft ein zeitintensives Suchspiel.

In puncto Halterung hat Garmin sich etwas altes Neues ausgedacht. Die Schienenlösung vom Edge 705 wurde verworfen und durch die bereits vom Forerunner bekannte Kupplung ersetzt. Irgendjemand in der Entwicklungsabteilung bei Garmin hat sich allerdings überlegt, dass es eine gute Idee sei den Mount für das Edge 800 um 90° zu drehen. Dies hat zur Folge, dass man ihn nicht für den Forerunner verwenden kann (vice versa) bzw. dass eines der Geräte dann verdreht am Lenker montiert wäre. But why..?!&“#/!&!

Die Halterung selbst wird über kreuz mit Gummibändern am Lenker oder Vorbau befestigt. Gegenüber der soliden Kabelbinder werte ich das als Rückschritt auch wenn ich selber nie Probleme damit hatte. Ich weiß jedoch, dass Dank spröder, gerissener Gummibänder durchaus Geräte verloren bzw. zu Schaden gekommen sind. Gut für Garmin.

Noch ein Satz zur Hardware: Man kann das Gerät jetzt zeitgleich laden und nutzen. Toll. Bei der erneut desaströsen Akkulaufzeit von ca. 6 Stunden ist das aber auch dringend erforderlich.

Leider gibt Garmin wieder keine brauchbare Karte mit. Das Rumhantieren, Konvertieren und Kopieren von Image-Dateien vom PC bleibt einem somit erhalten. Leider hat die Software auch einige schwerwiegende Fehler die sporadisch immer wieder dazu führen, dass das Gerät komplett hängen bleibt. Da hilft dann oft nur Starthilfe und Datenrettung via PC-Überbrückung oder ein Hardreset (mit der Folge, dass alle Daten weg sind). Insbesondere auf Reisen hat mich das mehrmals wirklich verzweifeln lassen. Das Vertrauen in das Gerät (und Garmin) ist damit enorm gesunken.

Das Gerät ist besser als das Edge 705. „Besser“ ist aber ebben nicht gut.

Garmin Edge 1000

Wir schreiben das Jahr 2014; das Jahr in dem Apple das Iphone 6 veröffentlicht. Nur so als Einordnung. Auch Garmin bringt ‘was Neues auf den Markt: das Edge 1000. Es soll das neue Flaggschiff aus dem Hause Garmin sein. Optisch macht das Gerät auf jeden Fall etwas her. Die Verarbeitung macht einen wertigen und edlen Eindruck. Der Touchscreen wirkt deutlich größer – allerdings sollte man erwähnen, dass viel der scheinbaren Displayfläche durch glatte schwarze Oberflächen optisch zusammengemogelt ist. Die Taktik kennt man bereits von diversen Smartphones, egal. Das Beste ist aber, dass das Gerät endlich mit einer vorinstallieren, brauchbaren, OSM-basieren Europakarte daherkommt. Garmin, ihr seid so crazy-innovative!

Die Menüführung im Gerät selbst ist tatsächlich akzeptabel. Man kann sich zwar in den Submenüs weiterhin verlaufen, aber ich bin bereit das zu verzeihen. Die Bedienung des Geräts im Alltagsbetrieb ist okay. Was schon wieder nicht okay ist, ist die Art und Weise wie man Daten synchronisiert. Das ist einfach ein riesen Upfuck. Insbesondere das Aufspielen von (extern) erstellten Tracks (z.B. Komoot) funktioniert sinnvoll nur via File-Transfer per USB-Kabel am PC. Man kann also Unterwegs keine Routen umplanen oder neue hochladen. Naja, wer will das ach schon?!

Hinzu kommt, dass die Verarbeitung von langen Tracks das Gerät in die Knie zwingt. Für die erste Festive 500 inOneGo (500 km) habe ich daher noch den Gesamttrack in Einzelabschnitte zerlegt.

Beim Thema Akkulaufzeit wird es wieder absurd. Garmin bleibt sich treu und lügt uns erneut 15 Stunden zusammen. Kurzfassung: das ist einfach nicht realistisch. Wenn die Bedingungen ideal sind dann erreicht man mit Glück ca. 8 Stunden – also etwas mehr als die Hälfe der versprochenen Laufzeit. Aber bitte nicht im Winter fahren, keine Hintergrundbeleuchtung anmachen und nicht von der Route abweichen. Letzteres würde zu einer Routenneuberechnung führen und den Prozessor (und somit den Akku) in Anspruch nehmen. Bei einer Winterausfahrt würde ich nicht mit einer Laufzeit von mehr als 5 Stunden ausgehen. D.h. selbst eine mittlere Rennradtour ist damit nicht zuverlässig absolvierbar.

Die Kritikpunkte die ich zum Touchscreen des Edge 800 formuliert habe, hat Garmin nun – vermutlich durch das deutlich größere Display – um einen „Automatikmodus“ mit Zufallsfunktion bei mittlerem Niederschlag erweitert: Ist das Display leicht angefeuchtet und treffen größere Tropfen auf die Oberfläche macht es einfach irgendwas. Wenn man Glück hat, dann nimmt der Regen aber schnell zu. Sobald das Display flächendeckend und dauerhaft nass ist, wird diese Funktion wieder deaktiviert.

Garmin selbst ist von seinen Halterungen inzwischen selbst so sehr überzeugt, dass das Gerät offiziell mit einer Sicherungsleine ausliefert wird. Mit einer Schlaufe soll das Gerät so vor Verlust und Beschädigung gesichert werden – sollte es sich mal wieder aus der Halterung verabschieden bzw. dieselbe vom Lenker. Was soll man dazu noch sagen?!

Achja, ich hatte ja eingangs geschrieben, dass das Gerät einen wertigen Eindruck macht. Lassen wir Bilder nach vier Jahren Nutzung sprechen:

Die Abdeckung des Power-Buttons am Edge 1000 ist eine der typischen Schwachstellen. Den Knopf bitte nach Möglichkeit nicht betätigen. Danke.

Ist wirklich alles schlecht?

Ich will ehrlich sein: Nein. Es gibt ein paar Punkte bei denen Garmin vorne liegt:

  • Das Höhenprofil, insbesondere beim Edge 1000, ist mit Abstand besser als bei den sonst von mir präferierten Geräten von Wahoo.
  • Dass man mehrere Rad bzw. Anwendungs-Profile anlegen kann, finde ich ganz cool. Das geht bei den Wahoo-Geräten leider nicht.

Oh. Das war’s schon.

Tl;dr

So viel Schrott für so viel Geld. Ich bin durch mit Garmin.

  • Tipp 1: Kein Geld an Garmin verschwenden.
  • Tipp 2: Kauft euch ein Wahoo – egal welches.

Zum Abschluss aber noch dieser hübsche Auszug aus einem Forum in dem ein User zur Bedienung des Edge 1000 verzweifelt um Hilfe bittet:

[…] Kann mir jmd sagen was ich falsch mache?
Danke

Trockene, treffende Antwort:

Du hast einen Garmin gekauft.

¯\_(ツ)_/¯ – Life is not a pony farm.

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